Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt mit Rolf Armbruster
Für sein Engagement für Bisoro wurde Rolf Armbruster – „Spiritus Rector“ der Aktionen für Bisoro – durch eine Einladung zum Neujahrsempfang des Bundespräsidenten geehrt.
Daniela Schadt mit Rolf Armbruster
Bundespräsident Johannes Gauck beim Neujahrsempfang am 8.Januar 2016, Schloss Bellevue, Berlin
Ansprache der Bundespräsidenten
beim Mittagessen zu Ehren engagierter Bürgerinnen und Bürger (Neujahrsempfang 2016)
Nähere Informationen:
Bundespräsident Gauck ehrt engagierte Bürgerinnen und Bürger mit Einladung zum Neujahrsempfang in Schloss Bellevue
„Bevor wir gemeinsam essen ein paar Worte, die ich unbedingt loswerden möchte, weil das schon eine ganz besondere Situation ist, in der wir uns zu Beginn des Jahres treffen. Die Spitzen des Staates, Sie haben das vorhin gesehen, als die Kanzlerin und das Kabinett kamen, außerdem die Verbände, die hohe Gerichtsbarkeit und das Parlament: Alle begrüßen sich und den Bundespräsidenten an diesem Tag. So ist es Tradition.
Aber traditionell treffen wir an diesem Tag auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die ehrenamtlich aktiv sind, so wie Sie, meine Damen und Herren. Sie sind nicht von hoher Geburt, wie es früher war, als Menschen sich zu besonderen Anlässen in Schlössern versammelten, bei Kaisern und Königen, sondern Sie sind diejenigen, die unserer Gesellschaft ein Gesicht geben. Und zwar ein schönes Gesicht.
Es ist ein wenig wie das Umblättern von Seiten in einem Tagebuch. Hinter uns liegen lauter vollgeschriebene Seiten des vergangenen Jahres – und vor uns leere Blätter. Und was wir auf den beschriebenen Seiten des vergangenen Jahres lesen können, das hat uns oft genug ja nicht nur froh gemacht, sondern durchaus auch nachdenklich gestimmt, manchmal traurig gemacht, oft auch wütend. Verschiedene von Ihnen arbeiten in Bereichen, wo man auch ziemlich heftige Emotionen kennt, wo man sich gegenüber Ungeist verhalten muss, gegenüber Gleichgültigkeit und vielen anderen negativen Dingen. Aber es gibt eben auch diejenigen, die nicht einfach nur dulden, sondern die etwas tun wollen, und die angesichts von menschlichem Elend, Nöten und Versagen dann tatsächlich aktiv werden.
Deshalb gehören Sie zu denjenigen, die auch im kommenden Jahr ihre eigenen Seiten in so einem Tagebuch schreiben werden. Wir wissen noch nicht – ich weiß es nicht, Sie alle wissen es noch nicht –, was 2016 die vordringlichen Aufgaben sein werden. Manches hat uns im vergangenen Jahr überrascht. Anderes wiederum war ein vertrautes Arbeiten in Bereichen, in denen wir uns seit Jahren, mancher seit Jahrzehnten engagieren.
Entscheidend ist: Was wir selber tun können, um aus der Geschichte eine Geschichte von Zuversicht und Hoffnung zu machen, das wollen wir dann auch tun. Wir wollen in Zeiten, in denen viele Menschen sich ängstigen oder verzagen, zu jenen gehören, die immerfort nach Wegen suchen, wie man Ängste bannen und abbauen kann, wie man Menschen helfen kann.
Sie, liebe Gäste, sind heute hier, weil Sie in den Text des vergangenen Jahres einige besonders ermutigende Zeilen eingeschrieben haben. Und Sie sind auch hier, weil Sie vielen Menschen die Hoffnung geben, dass die Geschichte 2016 eine gute Botschaft bereithalten wird. Sie alle, meine Damen und Herren, haben an den unterschiedlichsten Stellen der Gesellschaft dazu beigetragen, dass dieses Land ein solidarisches Land ist.
Manche mögen diese Begrifflichkeit nicht. Wenn wir von Solidarität sprechen, hört sich das immer ein bisschen politisch an. Man kann das auch anders ausdrücken. Man kann statt Solidarität Barmherzigkeit sagen. Das gefällt nun wieder anderen nicht, weil es ein wenig von oben herab klingt. Aber es geht bei allen Formen, bei denen Menschen miteinander in guter Weise zu tun haben, um dieses Element von Zuwendung, und bevor wir uns einander zuwenden, müssen wir uns wahrgenommen haben. Uns selbst nehmen wir automatisch wahr. Aber wir nehmen nicht automatisch wahr, was an Problemzonen um uns herum gelagert ist: wo Menschen vergessen sind, wo Menschen Unterstützung brauchen, die ihnen die Familie oder ihr Umfeld vorenthält. Und Sie alle, die Sie hier sitzen, gehören zu denen, die die Augen geöffnet haben, und nicht nur die Augen, sondern auch Herz und Verstand. Beides gehört zusammen. Nur mit dem Herzen – das überfordert uns zu oft. Nur mit dem Verstand – sind wir oft zu kühl. Und deshalb sehe ich Menschen wie Sie, die beides haben, Herz und Verstand, so gern.
Ich treffe Menschen wie Sie übrigens öfter hier, etwa wenn wir Ordensveranstaltungen haben, am Tag des Ehrenamtes oder am Nationalfeiertag. Oder wenn in Bellevue das große Bürgerfest stattfindet, bei dem vielleicht der eine oder die andere von Ihnen schon dabei war. Dieses Fest findet regelmäßig im September statt. 5.000 Ehrenamtliche aus dem ganzen Bundesgebiet kommen dann zusammen. Und wenn ich das so sehe, spüre ich immer einen besonderen Stolz auf dieses Land. Natürlich kann ich auch stolz sein, wenn ich unsere Regierungschefin sehe, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, unseren Parlamentspräsidenten, klar. Gut funktionierende Institutionen zu haben, das macht mich natürlich auch stolz. Aber was wären unsere Institutionen ohne die Bürgerinnen und Bürger, die von sich aus und ohne, dass ihnen jemand das aufträgt, sagen: Dies ist mein Land, mein Ort, meine Heimat und mein Herz – und das ist das Problem, dem ich mich zuwende. Diese Haltung ist es, die diesem Land seine besondere Farbe verleiht.
Zum Ausbau der vielfältigen sozialen Bezüge braucht es eben nicht nur Normierungen durch den Gesetzgeber. Es braucht Menschen, die Haltung zeigen, die Herz und Verstand miteinander verbinden, und deshalb ist es für mich ein Geschenk, immer am Anfang des Jahres mit Menschen wie Ihnen zusammenzutreffen.
Ich habe eben von Herz und Verstand gesprochen, manchmal muss ich auch mal etwas anderes loben und das ist Ideenreichtum, Phantasie und Ausdauer. Denn, ich fange mal mit dem letzten an, Ausdauer ist ja wahrlich manchmal nötig. Es sind nicht immer solche Festtage wie der heutige, wo Sie in einem Schloss am gedeckten Tisch mit dem Staatsoberhaupt sitzen, die Regierungschefin sehen und so viele andere. Es gibt auch Tage, an denen man mutlos ist, weil man auf Helfer vertraut hat, die nicht gekommen sind, weil das Geld ausgegangen ist, weil der Abgeordnete nicht geantwortet hat, an den man ein Anliegen herangetragen hatte, oder weil man ganz einfach an die Grenzen der eigenen Kräfte gekommen ist. Ich will diese Situationen nicht übersehen. Es ist menschlich, dass wir auch an die Grenzen des uns Möglichen kommen. Das Besondere ist, dass wir uns nicht entmutigen lassen, sondern mit Gottes oder unserer Mitmenschen Hilfe oder mit den Potenzialen, die wir immer wieder neu in uns entdecken, dann einen Neustart wagen und sagen: Ach nein, so schnell gebe ich nicht auf.
So kommen Ideenreichtum und Phantasie dazu. Die geordneten Institutionen des Landes sind ja nicht die Geburtsstätten der großen Ideen, der bewegenden, neuen, phantastischen Möglichkeiten. Dort versucht man, in den Ordnungen des Landes das Seine zu tun. Aber manchmal braucht man neue Ideen, neue Wege, und genau deshalb ist die Zivilgesellschaft auch der Geburtsort von Ideen und von Phantasie. Von solchen Bewegungen gehen Impulse auf die Politik aus, die sie dann auch aufnimmt, wenn alles gut funktioniert, und mitunter in die Gesetzgebung einfließen lässt. Dort steht dann in Paragrafen, was bei Ihnen irgendwo an der Basis erfunden worden ist.
Wenn alles besonders gut geht, dann haben wir auch noch gelegentlich Humor. Das ist natürlich eine Gabe, die liegt nicht jedem. Aber sie ist unendlich hilfreich. Ich komme ja aus der Gegend der norddeutschen Ernsthaftigkeit, ich habe es nicht so mit dem Rheinischen, da muss man über Humor bekanntlich nicht groß reden. Aber gerade bei den engagierten Menschen ist es oft so, dass die Probleme so zahlreich sind, dass man vergisst, mal durchzuatmen, zu lachen, sich zu freuen, einen Witz zu machen oder mit der großen Gabe des Humors auch anderen einen kleinen Pusch zu geben: Ach so, ich muss nicht nur heulen, ich muss nicht nur leiden, sondern ich kann mich auch freuen, und ich kann diese Freude weitergeben.
Wem sage ich das? Über alles, was ich hier kurz anspreche, gibt es doch Lebensgeschichten, läuft bei manchen von Ihnen vielleicht ein innerer Film ab. „Ja, da hat er Recht.“ Oder: „Das hat er jetzt aber vergessen.“ Das können wir gern am Tisch noch ein bisschen vertiefen.
Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, mir an meinem Tisch erzählen zu lassen, was die Gäste ehrenamtlich machen, wo sie herkommen. Ich bin nicht sicher, meine Damen und Herren, dass ich dann alles noch weiß, wenn wir uns vielleicht in einem Jahr irgendwo wieder begegnen, aber dann sagen Sie einfach: Der Typ ist auch schon ein bisschen älter. Wir haben mal Nachsicht mit ihm. Und dann erzählen Sie mir das alles nochmal.
Meine Damen und Herren, ich bin dankbar für all die schönen Ideen und Projekte, denen Sie sich widmen. Was Sie tun oder getan haben, das sorgt ja nicht immer für Schlagzeilen. Manchmal kommt man vor und dann gibt es mal eine lobende Erwähnung, wenn ein Festtag ansteht, Tag des Ehrenamtes oder Nationalfeiertag oder Weihnachten. Ja, da kommt man schon mal in die Zeitung, aber Sie machen das ja nicht, um in die Zeitung zu kommen. Sie machen es, weil es Ihnen am Herzen liegt. Und das ist das, was mich immer so besonders freut: dass wir nicht nur umgeben sind von Menschen, die sich ausrechnen, welchen Gewinn habe ich von welchem Tun? Sondern die einfach nicht anders können, als sich für etwas einzusetzen. Und da ist es mir völlig egal, ob einer in der Grubenwehr, in der Jugendfeuerwehr, in der Feuerwehr überhaupt ist, ob er Tauben züchtet oder sich dem Naturschutz widmet, der Denkmalpflege oder den Integrationsproblemen, die uns jetzt so unter den Nägeln brennen. Ich danke ganz besonders den vielen, unendlich vielen aktiven Helfern, die uns alle überrascht haben mit ihrer großen Zahl. Hier in Berlin wurden sogar Listen angelegt, weil nicht alle Freiwilligen an einem Ort gebraucht wurden.
Mir ist es aber heute wichtig, nicht nur diesen Schwerpunkt – die Flüchtlingsarbeit und das Engagement bei der Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern – zu würdigen, sondern ganz breit das Bürgerengagement in den unterschiedlichsten Bereichen. Ich denke zum Beispiel an diejenigen, die sich um heimatlose Kinder kümmern oder um Kinder aus prekären Verhältnissen, unendlich schwierige Aufgaben. Unter uns sind Menschen, die sich gerade in diesem Bereich der sozialen Arbeit ausgezeichnet haben.
Aber ich will auch die nicht vergessen, die über Jahrzehnte irgendwo als Kassenwart in einem Verein tätig sind, die für Ordnung sorgen in den Finanzen, die die Berichte schreiben, die die Vorstandsarbeit machen. Das sind ja oft Dinge, da mögen viele Leute nicht so gerne ran. Ja, schon mal helfen kommen, okay. Aber kontinuierlich dabei zu bleiben und mit dieser Kontinuität eben der Hilfe auch eine Struktur zu geben, das ist nicht Jedermanns Sache. Aber es ist meine Sache, das zu bemerken.
Ich bemerke es und ich sage Ihnen: „Danke!“ All denen, die ich nicht im Einzelnen aufzählen oder heute sprechen kann, gilt in gleicher Weise mein Dank. Und wenn ich Ihnen danke, dann ist das ja nicht nur Joachim Gauck, der einmal aus Mecklenburg gekommen und hier zufällig in diesem Schloss gelandet ist, sondern es ist einfach so: Wenn Ihnen der Bundespräsident Danke sagt, dann sagt Ihnen Deutschland Danke. Deshalb sind Sie hier.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Steinmeier