November 2014 – Installation des ersten „Hydraulischen Widders“
zur Trinkwasserversorgung von Bisoro
Bei der Technik der Widder-Pumpe handelt es sich um ein Gerät, das ohne Strombedarf über die Gravitation und Laufwasserenergie Trinkwasser über Höhenunterschiede bis zu ca. 300m pumpen kann. Ein Hydraulischer Widder versorgt auf diese Weise die Burg Hohenzollern mit Trinkwasser. Hans Rauscher war im Oktober/November als „Senior Experte“ in Bisoro und hat gemeinsam mit den dortigen Berufsschülern die erste Widderpumpe dieser Art in ganz Burundi in unserer Patengemeinde Bisoro installiert. Und sie funktioniert!
Funktionsprinzip
Frisches Wasser schießt durch die Triebleitung aus einer ca. 20 Höhenmeter oberhalb des Widders befindlichen Quelle in die Pumpe. Der Wasserstrom schiebt die Kugel gegen die Öffnung, wodurch die Strömung abrupt unterbrochen wird.
Das Signal der Unterbrechung wird durch das Wasser der Triebleitung nun mit Schallgeschwindigkeit an das obere Ende bei der Quelle übertragen, was ca. 1 msec dauert, wodurch an der Pumpe kurzfristig der Wasserdruck um das ca.10-30-fache steigt, das Überdruckventil öffnet und Wasser in den Luftkessel eindringt. Dort steigt der Luftdruck nach mehreren Runden auf bis 30 bar. Der Druck in der Pumpe nimmt dadurch ab, weshalb die Kugel abfällt. Das Wasser kann wieder strömen, eine neue Runde beginnt. Dauer einer Runde ca. 1,5 sec. Der Kesseldruck schiebt das Wasser über die Steigleitung in ein Reservoir um bis zu 300 m oberhalb.
Einsatzbericht von Hans Rauscher
Projekt-Bezeichnung: Bi – pompe
Auftragsnummer: 214 371 80
Begonnen hat alles in einem Workshop in der Forsthochschule Rottenburg im November 2013 – Thema: „Trinkwasser-Probleme in der Dritten Welt“.
Es war schon lange meine Überzeugung, Menschen in Entwicklungsländern meine Lebenserfahrung und mein Fachwissen „Wasser“ weiterzugeben. Auf dem Workshop lernte ich Rolf Armbruster kennen, und wir trafen uns danach öfters. Er erörterte mir, dass in Bisoro/Burundi eine Berufsschule Sanitär/Elektro aufgebaut wird. Als selbständiger Handwerksmeister fühlte ich mich angesprochen, beim Aufbau, bzw. in der Ausbildung von Sanitär-Lehrlingen mitzuarbeiten.
Ich war von der Basis-Arbeit von Rolf Armbruster und dem Projektträger, der AACOBI (Association des Amis de BIsoro = Verein der Freunde von Bisoro) überzeugt. Nachdem meine Registrierung beim SES (Senior Experten Service), Abteilung von Engagement Global, beim BMZ vollzogen war, konnte es an die Projektvorbereitung gehen.
Mich faszinierte die Pumpentechnologie „Hydraulischer Widder“ (pompe à Bélier), die eine geradezu optimale Lösung der Wasserproblematik in den Entwicklungsländern bietet. Der Hydraulische Widder benötigt nach der Inbetriebnahme keine Energiekosten. Der Wartungsaufwand und der Ersatzteilbedarf sind minimal und können nach einer gewissen Einarbeitungszeit von einheimischen Fachlehrern überwacht und durchgeführt werden.
Prinzip des hydraulischen Widders
Am Mittwoch, 29.10.14 wurde ich von Térence Ndikumasabo, dem Vorsitzenden der AACOBI und dessen Stellvertreter Nestor Niyungeko freundlich empfangen und in ein nettes Restaurant eingeladen. Zu uns gesellte sich nach geraumer Zeit Benedikt Maibaum SWS-Repräsentant in Burundi. Es war ein guter Einsatzbeginn. Am nächsten Morgen brachen wir nach dem Frühstück auf und machten uns auf den Weg nach Bisoro. Dort nahmen wir das zu stemmende Projekt in Augenschein. Nach einem dreistündigen Erkundungs- und Informationsrundgang ging es zu meiner künftigen Unterkunft in Bisoro. Bei einem sehr guten Lunch wurde der zeitliche Projektablauf durchgesprochen.
Mit Norbert Heinelt, dem SES-Elektro-Experten, ging ich am anderen Tag in die Berufsschule, um die Lehrlinge und die Einrichtung der Schule kennenzulernen und vereinbarte mit der Schulleitung, dass am Donnerstag, 30.10.2014, die komplette Sanitär-Klasse und Lehrer eine Vorort-Begegnung des Pumpen-Projekts stattfindet. Dort wurde anhand des defekten Bélier- Widders die Funktionsweise und Handhabung des Geräts erklärt. Ein wichtiger Helfer war Philbert, ein Bauingenieur mit fast europäischer Denk- und Arbeitsweise, Er sollte in den kommenden Wochen mein wichtigster Partner vor Ort werden. Die Chemie stimmte von Anfang an.
Unklarheiten gab es zu Beginn viele: Wo war die zweite Bélier-Pumpe? Wo ist das Rohrleitungsmaterial? . Wo sind die 600 m HDPE-Rohre. Doch mit „Hakuna Matata (kein Problem)“ beruhigte mich Phil, was auch tatsächlich eintraf. Keine HDPE-Rohre, keine zweite Bélier-Pumpe, kein offener Rohrgraben.
Phil und ich gingen das Projekt gemeinsam an. Er überraschte mich mit einem Nivellier-Gerät, welches er den Berufsschülern erklärte und sie in die Funktionsweise einarbeitete. Jeder Info-Schritt wurde mehrmals wiederholt und anhand von Skizzen erläutert. Die gesamte Rohrleitungs-Trasse wurde in gemeinschaftlicher Arbeit ausgemessen und festgelegt. Am späten Nachmittag fuhren wir die ca. 30 km lange Strecke gemeinsam zurück. Auf der 1,40 x 1,40 m Toyota-Pritsche hatten sage und schreibe 17 Berufsschüler Platz. Der Zusammenhalt muss groß gewesen sein.
Am nächsten Morgen habe ich in der Berufsschule einen Test zum Thema „Hydraulischer Widder“ abgefragt. Als Dolmetscher fungierte Norbert (Anm.: Heinelt) In den Reihen der Berufsschüler war Emanuel, der sich mit mir auf Englisch unterhielt und im weiteren Verlauf meines Einsatzes zum wichtigsten Translater von Englisch in Kirundi wurde.
Im Moment wird in der Berufsschule Französisch unterrichtet. Insgesamt sprechen nur ca. 30 % der Burundis Französisch. das Schwäbische „Mach nôre = beeil dich“) kommt dem burundischen Ausdruck „machore =Frieden“ nahe und wirkt deshalb nicht so hart und verfehlte seine Wirkung dennoch nicht.
Zurück zum Projektthema:
Da der einzubauende 2. Widder noch nicht auf der Baustelle und wahrscheinlich auch während meines Einsatzes nicht eintreffen wird, beschlossen Phil und ich, die komplette Verlegung der Rohre mit allen Komponenten so zu bauen und wenn der zweite Widder eintrifft, diesen zum Schluss noch einzubauen und in Betrieb zu nehmen. Wenn er nicht da sein sollte, wird der erste Widder repariert und eingebaut und falls funktionstüchtig in Betrieb genommen.
Innerhalb von 2 ½ Wochen wurden von Phils Arbeitern ca. 480 m PVC-Rohre verlegt. Die Verarbeitungstechniken habe ich vermittelt und beaufsichtigt. Die Zusammenarbeit mit den Burundis war hervorragend. Dass die Afrikaner faul sind, so wie es mir mit auf den Weg gegeben wurde, wurde grundlegend ins Gegenteil gesetzt. Es hat mir Freude gemacht, mit fremden Menschen, Kulturen, Eigenschaften zusammenzuarbeiten und neue Erfahrungen zu sammeln. Zwischenzeitlich durften die Berufsschüler mit auf die Baustelle, z. B. beim Verlegen der ca. 45 m langen verzinkten Rohrleitung DN 50. Da wurde das Gewindeschneiden und-verarbeiten einschließlich der Montage in die Praxis umgesetzt. Die Azubis waren so happy, dass sie während der Heimfahrt ohne Unterbrechung Lieder sangen.
Doch der spannendste Teil stand noch unmittelbar bevor. Nachdem die Rohrleitungen gespült, nach der Füllung auf Dichtigkeit geprüft waren, wurde der erste Widder angeworfen und gewartet, ob das Wasser im schon vorhandenen Reservoir auch ankommen wird. Lange 10 Minuten zwischen Hoffen und Bangen. Schafft es der Widder, das Wasser 62 m höher auf einer Länge von 450 m zu transportieren?
Er hat es geschafft – Wir haben es geschafft!
Detailaufnahme der Widderpumpe. Links Zu- und Steigleitung, rechts die Gegenfeder vom Ventil des „Widders“
Ab diesem Augenblick waren Phil und ich endgültig Freund. Wir waren nur noch zufrieden und happy. Die positive Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer bis nach Bujumbura zu Térence. der es sich nicht nehmen ließ, seinen Besuch für Sonntag anzukündigen. Phil und ich kontrollierten am Freitag und Samstag nochmals die Arbeitsweise des Widders und den Bau des Widder-Pumpen-Hauses.
Für Sonntag, den 23 November 2014, 10.00 Uhr war die Zeremonie der Einweihung des Pionier- Bélier vorgesehen. Dazu habe ich die Berufsschul-Klasse eingeladen. Diese war vollzählig anwesend, obwohl einige von ihnen einen 20 km langen Weg in den Beinen hatten. Die Banderole (Servietteband) wurde von Miss Bélière (eine Berufsschülerin) durchschnitten. Es war Freude pur.
Auf dem gesamten Heimweg wurde gesungen. Térence war überglücklich, dass unser gemeinsames Projekt so erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Phil wurde von mir noch dahingehend unterwiesen, auf was es ankommt bei der regelmäßigen Kontrolle der Widder-Anlage.
Mein persönliches Fazit
In einem weiteren zweiten Widder-Projekt sollten die Kenntnisse und Erfahrungen gemeinsam weitergeführt werden.
Schon lange habe ich auf einmal so viele zufriedene und glückliche Menschen nicht mehr gesehen.
Rottenburg, 10. Dezember 2014
Hans Rauscher
Info: Die verwendete Widderpumpe ist wartungsfrei, besteht aus Edelstahl und wurde in der Schweiz gefertigt.
Was diese Pumpe für die Menschen in Bisoro bedeutet, kann man nur verstehen, wenn man weiß, wie das Wasser zuvor ins Dorf transportiert wurde. Diese Bilder geben einen Eindruck davon: